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GLORY BOX – TRANSPARENZ UND HERMETIK DES SCHEINS
Über die Bilder von Gunnar Borbe

„We’re all looking at a different picture
Through this new frame of mind
A thousand flowers could bloom
Move over and give us some room, yeah“

Ein Text von Esther Horn

 

Life, light & circumstances
Gunnar Borbe ist Fotograf und Maler. Er bezeugt, erschafft und verursacht Bilder, die uns unmittelbar angehen. Sie handeln scheinbar von der Absenz des Wesentlichen und sind genau dadurch Botschaften unserer Essenz. Da Borbe diese Sendung auf beiden medialen Ebenen meisterhaft erschafft, fangen ästhetischer Genuss, aber auch eine die Bilder tragende Haltung der emotionalen Zugewandtheit das Verstörende der Motivik auf.

Denn die Protagonist:innen seiner Bildwelten, seien es Mensch, Ding oder Kulturraum, würden tief trauern, wenn sie könnten – und wir wären Zeug:innen ihrer immensen Trauer. Tatsächlich ist die Paralyse – die Unfähigkeit zu trauern – das eigentlich Bestürzende der meisten Bildserien Borbes. Sie, die Menschen, Dinge und Räume, trauerten lauthals um ihre existenzielle Verlorenheit und Isolation, wären sie dazu in der Lage. Sie würden in die Wälder hinein laufen bis zu Erschöpfung, in die Arme der Nächsten sinken, Wellen des Schluchzens aus sich heraustoßen, als Mauer einstürzen, wenn sie könnten, wie sie wollten. Wenn sie wüssten, wie, trauerten sie um ihr dsytopisches in-die-Welt-geworfen-sein, eine Welt, deren einzige Ordnung die Unerbittlichkeit funktionaler Nutzanwendung, seelischer Leere und unterkühlte Stauchung aller Form zu sein scheint. Wenn sie wollten, wie sie könnten, gäben sie ihrem tiefen Bedürfnis nach Verbundenheit nach – miteinander, aber vor allem mit ihrem eigenen Wesen, mit ihrem Lebendigsein. Dann gäben sie ihrer Sehnsucht nach Ganzheit und Vollständigkeit statt, nach Ihrem eigenen Licht, welches immer die Liebe ist.

So aber sind sie Gefangene hinter hermetischen Transparenzen, Gehäusen aus Lichtfetzen, Strahlen und Schatten, die sie von uns und sich selbst fernhalten wie übergroße Linsen eines Fotoapparats. Wie die Schaufenster oder Plastikplanen von unsichtbaren wie sichtbaren Höhlen, in denen sie mal sitzen, mal hocken oder liegen. In ihren eigenen, unsichtbaren glory-boxes, die sie wie ein Schutz umgeben und ihre Pracht und ihr Leuchten nur ahnen lässt und simuliert. Die Welt ist eingeschrieben in sie als Erscheinung, die sie umgibt und spiegelt zugleich.

Jegliches Licht, jede Wärme und Lebendigkeit ist hier in Verhältnisse der Aussichtslosigkeit gegossen. Auch die Natur mutet eingezwungen an in diese Starre des subtilen Nichtausdrucks: Die Sonne strahlt weniger, als dass sie ein diesiges Abbild ihrer selbst ist, Büsche und Bäume gerinnen zu Schatten und Reflexen, oder sind gleich ganz zu Frost erstarrt.

Eine Form der Auflösung, eine Auflösung der Form, Mensch, Raum und Ding sind vor allem eins: mal zarte, mal kravtvolle Sekundärerscheinung. Und doch wird genau auf diese Weise von Gunnar Borbe ihre eigentliche Essenz so eindringlich wie selten erzählt und freigelgt.

On love
Denn, dennoch: In dieser Welt wird geliebt und gelebt, so gut es geht. Inseln der Intimität und der Freude leuchten auf, geben Halt im Gefüge der Spiegelungen und Ungewissheiten.  Der Körper in Persona wird rohe Grundversicherung des Selbst-Seins, des Miteinanders, der Exstenz. Ein klarer Blick in den Spiegel erfasst gleichsam und erfragt, eingemauerte Symbole werden zu starken Apellen, aufgescheuchte Blicke geben Verletzlichkeit und temporäre Geborgenheit frei.

Es ist auch der meisterliche Umgang mit Licht(setzung) in den Gemälden, die aufregende Ordnung der Kompositionen, die feinfühlige chromatische Textur, die hier höchstselbst die Garanten für das erweckte Leben darstellen: Die brilliante malerische Auflösung beschert ein neues, lichtvolles System, eine neue Welt. Doch auch für die fotografischen Bilder gilt: Im Zwielicht des Morgens und des Abends wird Magie entfesselt, ganz raw. Himmel kommt durch in blau-weiss-blitzenden Ausschnitten. Aus dem Verglühem im Kunstlicht treten uns wiederum Menschen entgegen, die durch diese tiefe Erfahrung der Einsamkeit gegangen sind – und sie überlebt haben. Aus dem Nichts des Dunklen treten sie aus dem Schatten und sind qua Existenz ihr eigenes Licht, ob sie wollen oder nicht. Sie erkennen auf einer unbewussten Ebene ihr Sosein als unumgänglich an und das schließt jede Mimesis mit ein. Sie sind ihre eigene Erscheinung und verkörpern sie, so gut sie können – und das ist genug. Sie sind genug, in aller Starre und Dystopie. Diese versöhnliche Selbstintegration ist das eigentliche Wunder, die Magie, die Borbe uns mitteilt: Wir sind, wer wir sind, in allem Schrecken und das ist gut und gut genug.

Diese Durchdringung des Menschlichen und Existenziellen vermag nur, wer wie Gunnar Borbe ein sehr feines Gespür für Licht hat. Es ist die Delikatheit und Süße der fast unsichtbaren hohen Schwingung, die zu diesen Bildwelten befähigt und sie uns als Gabe der Selbstversicherung überreicht. Es ist eine quantitative Quantenerfahrung, die uns als Frequenz, wie als Körper begegnet, beschenkt und uns um unsere eigene Dimension bereichert.